Freitag, Mai 01, 2009

Unauffindbar zum Tag der Arbeit

Big Trouble am Little Boxi überlebt, Walpurgisnacht vorbei und das Haus steht noch, die Sonne scheint zum ersten Mai, als wär ihr alles egal. Aber nicht nur die Bullerei und Imbisbudenpimps müssen arbeiten, auch ich bin wiedermal über meinen Zeichentisch gebeugt. Letztes Jahr habe ich für Lina Liko ein kleines Projekt gemacht, erstmal 90 Sekunden Animation mit einem bewußt sparsamen Animationsstil. Das Management wollte erstmal gucken wie sich das Teil entwickelt und ist nun wieder auf mich zugekommen, mit der Bitte, einen Dreieinhalbminüter draus zu machen.
Normalerweise sind Musikvideos immer mit der heißen Nadel gestrickt. Man arbeitet wie ein Ochse, um die Deadline irgendwie zu schaffen, und freut sich am Ende wenn alle happy sind und keiner dabei draufgegangen ist. Das ist etwas anderes als in der Uni zwei Jahre an 'nem schnieken Film zu basteln, aber irgendwie mag ich das auch so. Stil aussuchen, Storyboard machen und losschrubben. Nach spätestens vier Wochen haste vier Minuten Animation im Kasten. Nachteil, ganz so stylisch wie es sein könnte, hätte man Zeit und Budget gehabt, ist es eigentlich nie und oft guckt man nach zwei Wochen nochmal drauf und sieht Sachen, die man lieber anders gelöst hätte.
Deswegen fand ich die Idee von Linas Management sehr spannend, erstmal ein kleines Video zu machen, und eventuell später was nachzuschieben - nicht nur aus ökonomischer Sicht. Erstmals habe ich die Möglichkeit, nach gut einem halben Jahr nochmal auf das Projekt zu gucken, und Verbesserungen vorzunehmen, hier und da etwas anzupassen und verändern, wofür vorher keine Zeit war.
Die Story vom Video ist im Grunde, angelehnt an Rotkäppchen und Bonny&Clyde, Lina und der böse Wolf cruisen durch die Nacht, haben Spaß (sprich: schmeißen Pillen, sind grundlos gewalttätig und machen der Bullerei ärger) und bauen Scheiße. Ja, auch ich mag Tankgirl. Die Story und das Lied ist so angelegt, dass ich das kurze Video gut auseinanderschneiden konnte, um Episoden einzufügen ohne den Grundcharakter der Story zu verändern. Hab ich vorher auch nicht gemacht, und sehr interessant ist es zu sehen, wie das den Flow der Story veränderte. In der langen Version ist das Ende neu, Lina&Wolf haben u.A. ein Scharmützel mit Dr. Stasi 2.0 und in guter Gellnerscher Tradition kriegt auch wieder uns Paris eins vor die Ommel. So muss das.
Dann habe ich einige Schnitte geändert, Illustrationen neu gezeichnet, die mich sehr genervt haben und im After Effekts viel mit Unschärfen, Partikeln, Strukturen und Kamerawigglern experimentiert, um dem ganzen noch mehr einen eigenen Look zu geben. Animationstechnik ist auch die alte geblieben, vorallem Standbilder, die über das Bild getweent werden. Aber ich hab 'n paar Schmankerls eingebaut, wo ich Flash Formtween Funktion angewandt habe. Von der neuen Inverse Kinematik-Funktion in Flash CS4, auf die ich sehr gespannt war, halte ich wenig. Viel zu unausgereift und Rechenintensiv für das was sie kann. Ich hatte für den Flixfilm damit experimentiert, fand sie aber sehr "unhandlich". Dann lieber die Puppenfunktion im After Effects, die ist lustig & viel einfacher zu handhaben. Für mich muss der Aufwand, neue Funktionen zu erlernen, eventuell neue Hardware zu kaufen, damit die Funktion überhaupt einigermaßen funzt, in einem günstigen Verhältnis zum Gegenwert in Form von Zeitersparnis oder Stylepimpung stehen. Aber zurück zum Thema.
Was natürlich eine ökonomische Entscheidung war, vor allem Standbilder mit Tweens zu benutzen, macht meiner Meinung nach sehr geile Bilder und passt zu Style des Videos. Ich hätte wirklich keinen Bock, selbst wenn ich könnte, hier mehr Frames reinzudrücken. So passt das. Hab ich mir bei Dragonball abgeguckt. Man achte mal darauf, wie wenig Bilder die faulen Hunde zeichnen.
Vor allem diese ganze Schwarzweiß-Ästhetik im Trickfilm ist ja seit Sin City, Persepolis oder Renaissance (nicht zu empfehlen) nicht gerade der neueste Hut. Vorallem ist diese Ästhetik oft zeitsparender. Man muss sich eben nicht für jede Szene nen Kopf machen, wie die Farbstimmung ist, weil man nur über Formen und Komposition gestaltet. Kurz, man spart sich das ganze Ausgemale.
Eigentlich hat mich mehr das Buch Neubauwelten zum Look für das Video inspiriert und nicht so sehr Sin City oder Renaissance. Ich habe aus dem Buch auch Sachen benutzt. Die Bäume am anfang haben als Grundlage Vektorbilder aus der Neubausammlung. Der Club, in dem Lina tanzt, ist verziert mit Grafikteilen, einer Kasette aus Neubauwelten. Trotzdem, auch wenn ich ganz anders zeichne und weniger abstrahiere, Art der Erzählung, Gewaltdarstellung und Style sind schon ziemlich nahe an Frank Millers Fachofictionbrett SinCity. Deswegen hab ich mir Gedanken gemacht, wie man da wieder etwas wegkommt.
Nicht dass mir Originaliät im ihrer selbst Willen furchtbar wichtig wäre, ich hab einfach Bock gehabt, aus dem Style noch was rauszuholen und finde dass sich die Extraarbeit bis hierhin gelohnt hat.
So, was lernen wir daraus, Kinder? Viele Projekte können nur gewinnen, wenn man mit etwas Abstand noch mal rangeht. Es ist durchaus befriedigend und spannend, alte Kamellen nochmal aufzuwärmen. Früher war ich (eine Currywurst) einer von den Typen, die eigentlich ein Ding nach dem anderen durchhauen wollten, und am liebsten immer was neues machen. Der bin ich immernoch, aber die Qualität der Arbeit, die man erreichen kann, wenn Design als Prozess wahrgenommen wird und nicht die erste die beste Lösung ist, hat was für sich. Ähnliche Kalendersprüche hab ich im Studium so oft gehört, aber es selbst zu erleben, macht's dann doch plastischer, wa?
Video kriegt ihr so in zwei Wochen zu sehen, wenn alles glatt geht. (Die Bulette sagte "Guten Tag")

4 Kommentare:

mo hat gesagt…

bin sehr gespannt!
auch auf den flix-film..

Alex hat gesagt…

danke!
flixfilm dauert noch n bissl.
auf seinen lesungen zeigt er ihn aber schon.

Anonym hat gesagt…

Sieht gut aus, bin schon auf das fertige Video gespannt!

Yann

Der Schlächter von Anaheim hat gesagt…

Schön! Gruss auch an die Bullette, von einem alten Freund! ;)